Sprache und Sprachmelodie machen so viel aus. Ob wir uns selbst ein strenges Verkehrszeichen aufstellen, etwa ein Stopp-Schild, oder ob wir uns freundlich zu einer Pause einladen - beides hat seine Wirkung auf uns. Wie komme ich heute darauf?
Lydia brachte dieses Thema mit: Ihr wird hin und wieder vorgehalten, zu dominant zu sein. Das bedrückt sie und sie fragt sich, warum sie so wirkt. Es stellte sich heraus, dass Lydia diese Rückmeldung erhält, wenn sie aus ihrem Stressempfinden heraus impulsiv reagiert hat. So geschehen etwa, als sie direkt von ihrem Job - in dem an diesem Tag nicht alles rund gelaufen war - zu einer Geburtstagsfeier gefahren war.
Lydia ist eine herzliche, dynamische und verantwortungsvolle junge Frau in einem anspruchsvollen Beruf. Ihre Impulsivität ist eine ihrer Stärken. Nun geht Impulsivität jedoch einher mit einem höheren Erregungsniveau. Dieses zu regulieren, kann Lydia üben - es tut ihr selbst gut, und andere fühlen sich nicht überfahren.
Zunächst hatte Lydia überlegt, zu sich selbst Stopp zusagen, um zwischen ihrer Erregung (aus der vergangenen Stress-Situation) und der neuen Situation Distanz herzustellen. Das übte sie einige Wochen. Interessanterweise spürte sie dabei immer wieder genau jenes Gefühl, welches ihr aus ihrem Umfeld gespiegelt worden war: Sie sei zu dominant.
Aus der Betrachtung und Reflexion dieser Erfahrung entwickeln wir die Idee der Einladung zu einer Mini-Pause. So eine freundliche Einladung an sich selbst wirkt allein schon durch das Wort Einladung sanfter, langsamer, entlastender als ein Stopp-Schild. Der Satz zu sicht selbst lautet nun: "Gönn' dir eine kurze Pause, Lydia." Zur Alternative stand: "Lydia, mach mal kurz Pause". Dieser 2. Satz fühlt sich für Lydia jedoch - als sie seiner Wirkung nachspürt - gehetzt an.
Nun stellt sich die Frage, wie eine solche Einladung zur Mini-Pause gestaltet werden kann. Häufig reicht tatsächlich schon ein solcher Satz, den man innerlich in einer beruhigenden Sprachmelodie zu sich selbst spricht, auch mehrmals hintereinander. Wichtig ist, sich dabei mit seinem Namen anzusprechen. Dies stärkt den Aufforderungscharakter.
Lydia hatte weitere Ideen und fand im Laufe der Wochen sichtlich Freude daran, ihre Pausenkompetenzen zu erweitern. 3 Varianten aus ihrem Repertoire:
Satz zu sich selbst sagen, bewusst ausatmen, dann sprechen.
Zwischen Ende des Arbeitstages und Ankunft im Privatleben (oder einen anderen beruflichen Termin) bewusst einen Umweg gehen/fahren und den Umweg als Pause bewerten.
Sich kurz zurückziehen (3 bis 5 Min.), Augen schließen, einen ganz bestimmten Song aus ihrer Playlist hören und sich auf die Musik konzentrieren.
Sätze an sich selbst gehören zum großen Wirkungskreis von Affirmationen und werden in Psychologischer Beratung, Coaching und Psychotherapie eingesetzt. Zum Glück ist unser Gehirn so flexibel und formbar (Neuroplastizität), dass es sich anpasst, wenn wir mit einer gewissen Beharrlichkeit bisher ungewohntes Verhalten oder neue Denkmuster einüben. Es entstehen neue neuronale Verbindungen. Das gilt auch für den Bereich der Emotionsregulierung. -> Studie der PFH Göttingen aus 2024, klick hier: www.pfh.de/blog/pressemitteilungen/studie-der-pfh-zur-wirksamkeit-von-affirmationen
Namen und Angaben zur Person sind anonymisiert, das Fallbeispiel ist inhaltlich verdichtet bzw. verkürzt.